Vorwort: Diesen Beitrag hatte ich im Dezember letzten Jahres im Britische Bahn Forum gepostet. Natürlich passt er aber hier genauso, wenn nicht noch besser hin
Die französische Staatsbahn (Chemins de fer de l’État, kurz ETAT) die 1878 aus dem Zusammenschluss von zehn insolventen Eisenbahngesellschaften entstand, lies ihre Dampflokomotiven in der Regel natürlich in Frankreich bauen. Wenn aber die einheimischen Lokomotivhersteller nicht in der Lage waren die benötigten Maschinen zu liefern, beauftragte man durchaus Lokomotivbauer in den USA, Belgien, Deutschland oder auch Großbritannien. Dort wurden dann die Maschinen von Kitson & Co., Sharp, Stewart & Co., Neilson & Co. und North British Loco. Co. (NBL) nach Plänen der französischen Chief mechanical engineers (CME) gebaut.
Es gab aber 1911 eine Ausnahme, wo man direkt auf eine britische Baureihe zurückgegriffen hat. Die ETAT bestellte bei der NBL 50 Lokomotiven der "Highland Railway Castle Class", die 1900 von Peter Drummond (damaliger CME der HR und jüngerer Bruder von Dugald D. dem damaligen CME der LSWR) entworfen wurden.
Bildarchiv der ETH, Zürich, (Public Domain)
In Frankreich war die Baureihenbezeichnung 230 État 321-370.
Bei der Gründung der SNCF 1938 waren noch drei der 50 Loks vorhanden, die bis 1941 als Reserveloks und Ersatzteillager dienten. Es waren fast baugleiche Maschinen mit ganz minimalen Änderungen. Zahlreiche Details verrieten sofort den "britischen" Ursprung dieser Lokomotiven. Französische Dampflokomotiven waren gekennzeichnet durch generell mehrere Domhauben, viele außen aufgesetzte Leitungen und meist ganz andere Bauarten von Kaminen. Auch die Größe und Breite der Loks gegenüber der Wagen, die durch das viel kleinere Lichtraumprofil natürlich viel kleiner waren, fielen sofort auf.
Für einen Briten der um 1920 in Frankreich unterwegs war, war es sicher ein seltsames Bild, wenn er solchen Zügen wie auf den Bildern im Archiv der Highland Railway begegnete:
wirklich spannend. Bei dem Titel habe ich allerdings zunächst an die 140 C gedacht, von der immerhin 200 Exemplare in Großbritannien gebaut wurden, das Vorbild des Liliput-Modells allerdings nicht.
Da kommt mir der Gedanke, dass ich hier doch auch mal was über deutschstämmige Loks in Frankreich bringen könnte - ein weites Feld.
die 140 C war im Gegensatz zur oben gezeigten Baureihe halt eine französische Konstruktion.
Über Informationen zu deutschen Konstruktionen in Frankreich würde ich mich freuen. Damit hab ich mich noch nie befasst. Ist sicher auch sehr interessant.
Absolut, da pflichte ich euch beiden bei. Das Thema der dt. Loks in Frankreich (& Belgien) ist ein absolut weitläufiges Thema, wobei hier das Augenmerk vor allem auf die sog. Waffenstillstandsloks gelegt wird und wurde.
Vor ca. 10 Jahren ist ja dazu das Standardwerk von Jean Buchmann und Jean-Marc Dupuy erschienen, zuerst auf Französisch "L´épopée des locomotives armistice - 1918", und vor ca. 2-3 Jahren bei VGB auch auf Deutsch verlegt wurde unter dem Titel "Der Aderlass". Falls ihr es nicht kennen solltet, dann lege ich euch das wärmstens ans Herz. Hier wird jede Baureihe beleuchtet, die den Weg über die andere Rheinseite angetreten hat bzw. antreten musste. Dazu gibt es auch geschichtliche Hintergrundinformationen. Sehr interessant geschrieben. Siehe hier: https://shop.vgbahn.info/vgbahn/shop/der+aderlass-_4649.html
Ein derartiges Werk in Bezug auf Belgien wäre mal interesssant, denn da gibt es noch Lücken (oder vielleicht kenne ich das Buch nur nicht).
Was weniger beleuchtet wurde bislang sind die Loks, die dt. Hersteller ganz regulär für französische Bahngesellschaften in deren Auftrag gefertigt und geliefert haben. Obige waren ja kriegesbedingte Abgaben.
Das Buch "Der Aderlass" habe ich auch, und bin begeistert, auch wenn die Texte offenbar etwas merkwürdig übersetzt sind.
Ich denke auch eher in Bezug auf meine Modellbahn: Neben den Waffenstillstandsloks finde ich z.B. auch die elsass-lothringer T18 232TC, die 44er 150X oder die ELNAs 040TX sehr interessant. Die ersten beiden sind bei mir schon im Einsatz, die ELNA kommt bald von Tillig. Das würde dann aber wohl besser ins H0-Forum passen.
bin gerade auf eine interessante Lok-Baureihe der OUEST von 1888 gestoßen:
Ich hätte beim Anblick des Bildes aus dem The Railroad and Engineering Journal, vom Dezember 1889, darauf gewettet, dass es eine britische Maschine ist. Mehrere britische Gesellschaften hatten damals sehr ähnliche Lokomotiven im Einsatz, so z.B: die Lancashire & Yorkshire Railway:
Die Lokomotive im typisch britischen Stil baute die britische Lokomotivfabrik Sharp, Stewart & Co. um sie auf der Weltausstellung 1878 in Paris auszustellen. Anscheinend gefiel sie damals den zuständigen Verantwortlichen bei der Paris Orléans Bahn (PO) und sie entschlossen sich diese Lokomotive zu kaufen. Vermutlich war sie relativ günstig, da sich der Hersteller ja so den Rücktransport nach Großbritannien sparte. Sie bekam die Nummer 125 und wurde im Laufe der Jahre mehrmals umgebaut. Zwischen 1919 und 1921 wurde sie zurückgezogen und später verschrottet.